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Vor 70 Jahren - Die erste Militärflugpost

Auf den Gedanken, Verbindung mit eingeschlossenen Festungen durch die Luft herzustellen, kam man bereits sehr lange, ehe es Luftfahrzeuge gab. So schilderte das "Wiennerische Diarium", der Vorgänger der ehrwürdigen "Wiener Zeitung", in seiner Nummer vom1.Juni1709 phantasievoll, wie man mittels eines angeblich soeben in Portugal erfundenen "Fligenden Schiffes" unter anderem "... die belaagerten Plätze mit allen Nothwendigkeiten versehen..." könne. Die Praxis ließ freilich noch geraume Zeit auf sich warten - und blieb noch länger auf "Einbahnverkehr" beschränkt.

Mit dem Ballon hatte man zunächst nur ein Mittel, Nachrichten über einen Einschließungsring hinaus zu bringen. Es wurde erstmals in den Koalitionskriegen angewandt, als die Franzosen 1793 Post "par ballon" aus der Festung Valenciennes abschickten; sie wurde allerdings von den österreichischen Belagerungstruppen aufgebracht.

Rund acht Jahrzehnte später war man auch noch nicht nennenswert weiter. Im deutsch-französischen Krieg von 1870/71 stiegen aus dem belagerten Paris 66 Freiballone auf. Zwar beförderten sie außer Post und Nachrichten auch schon wichtige Persönlichkeiten ("VIPs" würde man heute sagen), aber im wesentlichen blieb es bei der "Einbahn". Ballone i n die Stadt zu schicken - bei ihrer Ausdehnung an sich gewiß nicht unmöglich - wagte oder konnte man wegen widriger Windrichtungen jedenfalls nicht und Brieftauben waren ein mehr als notdürftiger Ersatz...

"Gegenverkehr" ermöglichte erst das Flugzeug - und das wurde erstmalig von den ö.u. Fliegern während der Belagerung von Przemysl durch die Russen ausgeführt. Während der ersten Einschließung vom 18.9. bis 10.10.1914 flog zumindest eine Maschine mit FP Oblt Tauszig am 1.10. ein und brachte "aus Gefälligkeit" u.a. etwa 100 Feldpostkarten nach Jaslo, wo sie am 6.10. landete.

Der Entsatz durch die ö.u. 3.Armee (Boroevic) war nicht von Dauer; am 6. November wurde die Festung erneut und diesmal endgültig eingeschlossen. Bald danach wurde die Luftverbindung, vor allem durch Besatzungen und Flugzeuge der Fliegerkompanien (Flik) 10 und 11 wieder aufgenommen.

Selbstverständlich war an eine Luftversorgung der rund 120.000 Mann starken Besatzung im Stile des II.Weltkrieges oder gar der Berliner Luftbrücke mit den damaligen Maschinen und ihrer "Nutzlast" von ein paar Dutzend Kilo nicht zu denken.

Immerhin aber gab die Postverbindung den Eingeschlossenen doch das Gefühl, nicht ganz von der Heimat abgeschnitten zu sein und moralischen Auftrieb. Zunächst wurde improvisiert Post hauptsächlich aus-, in einigen Fällen wohl auch eingeflogen. Anfang 1915 brachte man System in den Verkehr. Das Festungskommando ließ dünne FLieger- und Ballonpostkarten herstellen, die mit entsprechenden Stempeln versehen wurden und ebenso erhielten die Karten aus der Heimat einen eigenen Stempel "K.u.K FLIEGERPOST FSTG. PRZEMYSL" (Etrich-Tauben, wie er sie zeigt, wurden freilich nicht eingesetzt).

Mit Sicherheit wurde Feld- und offizielle Fliegerpost bei 13 Einsätzen aus der und bei sechs in die Festung befördert, vermutlich auch bei weiteren Verbindungsflügen. Absprung- bzw. Landeplätze waren vorwiegend Krakau und Brzesko, vereinzelt wurden auch die Karpaten nach Ungarn überflogen. Der harte Winter und starke Bodenabwehr stellten hohe Anforderungen an die Besatzungen und führten auch zu einigen Ausfällen bzw. Notlandungen in Feindgebiet.

Zur Ergänzung des Fliegereinsatzes griff man auch wieder zum Ballon. Kleine Ballone aus gefirnistem Papier mit 8 m3 wurden mit etwa 600 Ballonpostkarten befrachtet; ein Trichter, gefüllt mit trockenem Sand, der langsam ausrann, sollte die Fahrt verlängern. Einige dieser Sendungen fielen den Russen in die Hand, der Großteil landete jedoch in Ungarn. Post wurde auch beim Ausbruchversuch der Fstg.-Ballonabt. 1 mitgeführt. Leider landeten alle vier Ballone auf Feindgebiet; die Besatzungen gerieten in Gefangenschaft, darunter auch der Kommandant der Flik 11, Weltrekordflieger Hptm. v. Blaschke, der sich später in die Heimat durchschlug. Ein Teil der Post gelangte über das Rote Kreuz an die Empfänger.

Nachdem ein zweiter Entsatz- und ein Ausbruchversuch gescheitert und die letzten Vorräte aufgebraucht waren, kapitulierte General v. Kusmanek am 23.3.1915. (Przemysl wurde am 5.6. von bayrischen und österreichischen Truppen zurückerobert.) Die letzten Flieger starteten aus der Festung, als bereits die Sprengladungen zur Zerstörung der Werke dröhnten. Eine Maschine kam nicht mehr heraus und eine andere mußte notlanden.

Die Flieger hatten das tragische Schicksal nicht wenden können, aber sie haben getan, was sie konnten - und eine echte Pioniertat gesetzt. W.L.

Postverladung in einen Albatros B I;
ob es sich tatsächlich um einen Przemysl-Flug handelt, ist nicht mehr sicher feststellbar

Poststücke wurden zunächst von der Truppe abgestempelt;
erst 1915 gab es eigene "Fliegerpostkarten" und "-stempel"

Offizielle Fliegerpost nach Przemysl


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